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Zensuskommission: Prof. Dr. Wagner im Gespräch

Die kritische und konstruktive Begleitung des Zensus 2011 – das ist die Aufgabe der Zensuskommission. In Interviews setzen sich die Wissenschaftler der Kommission auch mit den Standpunkten der Zensuskritiker auseinander – und liefern gute Gegenargumente.

„Mit den Ergebnissen des Zensus werden wir sicherlich noch viele Gesetze in einem anderen Licht sehen“, kündigt Professor Gert G. Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission, im Interview mit dem Freitag an. Wagner kennt sich mit Statistiken und deren gesellschaftlicher Bedeutung aus: Er ist Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, zudem Vorsitzender des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten. In der Zensuskommission, die das Bundesministerium des Innern berufen hat, hat er den Vorsitz übernommen. „Das Hauptziel ist Gerechtigkeit beim Finanzausgleich sowohl in Deutschland als auch in Europa“, fasst Wagner den Nutzen des Zensus zusammen. „Die Umverteilung öffentlichen Geldes wird nach Bevölkerungszahlen ermittelt. Wenn die nicht stimmen, gibt es Ungerechtigkeiten. Das zweite wichtige Ziel ist die Verbesserung der wissenschaftlichen Analysen, auf denen staatliche und kommunale Planung beruht.“

Wie die Bevölkerung sind auch Journalistinnen und Journalisten besonders für das Thema Datenschutz sensibilisiert. So befürchten manche, dass die Zensusergebnisse an Behörden zurückgespielt werden könnten. Der Vorsitzende der Zensuskommission unterstreicht, dass diese Befürchtungen auf unrealistischen Annahmen und Szenarien beruhten: „Die Zähler sind verpflichtet, über einzelne Personen nichts weiterzugeben, und es gibt für sie auch nicht den geringsten Anreiz dazu, im Gegenteil: Für Zähler aus dem öffentlichen Dienst droht der Verlust des Jobs oder gar des Beamtenstatus. Und es gibt in der 60-jährigen Statistikgeschichte der Bundesrepublik keinen Fall von Datenmissbrauch.“

Häufig in der Kritik steht die Aufnahme des Merkmals „Migrationshintergrund“ in den Fragebogen für die Haushaltsstichprobe – der Kriterienkatalog der EU für die aktuelle Zensusrunde fordert dazu keine Daten. Wagner hingegen ist der Meinung, dass diese Auswertung nützliche Einsichten liefern könne: „Der enorme Vorteil der Frage nach dem Migrationshintergrund besteht dagegen darin, dass die Gesellschaft, Städte und Gemeinden endlich im Detail ihre Vielfalt erkennen werden. Das wird den Status von Deutschland als Einwanderungsland untermauern und das Leben von Zuwanderern verbessern. In der Tat: Die ‚Aufklärungsfunktion’ eines Zensus ist auch ein ganz eigener gesellschaftlicher Wert einer solchen Unternehmung.“

Was also fehlt dem Experten beim Zensus 2011? „Als Staatsbürger“, so Wagner, vermisse er die gesellschaftliche Debatte über Sinn und Zweck des Zensus: „Die Diskussion ist schon wieder ziemlich verstellt. Wahrscheinlich hätte sich auch die Zensus-Kommission früh zu Wort melden sollen. Insofern muss ich mich auch an die eigene Nase fassen. Ich hoffe, dass das beim nächsten Mal, 2020, besser läuft.“

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